Mitmenschlichkeit ist in Zeiten von Corona die wichtigste Währung
Der Bundestag klatscht Beifall, sie werden Helden des Alltags genannt - Menschen in Pflegeberufen bekommen in Corona-Zeiten eine bisher kaum gekannte Wertschätzung. Gerade die Männer und Frauen, die sich im Bereich der Altenpflege engagieren, stehen im Zeichen der Corona-Krise plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Unter den besonderen Bedingungen der Kontaktsperre zeigen die bei der AWO in der Altenpflege aktiven Menschen, dass ihr Beruf keine Job, sondern eine Berufung ist. Colin Becker, der als Leiter des Louise-Schroeder-Zentrums der AWO in dem von der Außenwelt abgeschirmten Pflegeheim täglich miterlebt, was der Corona Virus mit pflegenden Personen und den alten Menschen macht, hat seine Erfahrungen der letzten Wochen gesammelt:

„Dieser Tage scheint es nur ein einziges Thema zu geben, das die ganze Welt umtreibt. Der Corona Virus hat unser gesamtes Leben durcheinander geworfen und führt uns allen plötzlich vor Augen, wer wirklich das unverzichtbare Rückenmark der Gesellschaft darstellt. Worauf kann eine Gesellschaft nicht verzichten? Welcher Bereich muss funktionieren, komme was da wolle?
Die Altenpflege ist so ein systemrelevanter Arbeitsbereich. Und obwohl sie oftmals etwas stiefmütterlich behandelt wurde, obwohl der Pflegenotstand hier schon seit Jahren kein abstrakter Begriff ist, sondern täglich erlebte Realität, obwohl der frühere Pflegebedürftigkeitsbegriff den Hilfebedarf in Minuten zu kategorisieren suchte- trotz aller dieser Umstände haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Verbundenheit gegenüber den alten Menschen bewahrt.
Das zeigt sich in besonderem Maße angesichts der aktuellen Krise. Hier beweisen die Kolleginnen und Kollegen ihre Moral. In Gesprächen betonen sie immer wieder ihre absolute Entschlossenheit, die Situation gemeinsam zu meistern: ,Jetzt zeigen wir allen erst recht, was in uns steckt‘, scheinen sie zu sagen. Viele sorgen sich mehr darum, die Senioren anstecken zu können als darum, selbst infiziert zu werden. Sie nehmen die Herausforderung mit einer solchen Selbstverständlichkeit und Loyalität gegenüber an, dass man dafür nur dankbar sein kann. Denn wenn die Materialien wie die Besetzungen auf den Wohnbereichen knapper werden, wird die Moral zur wichtigsten Währung.
Die Teams rücken enger zusammen. Viele neue Fragen tun sich jeden Tag auf, und sie begegnen dem mit gegenseitiger Rat und Hilfe. So bildet sich gerade ein Wir-Gefühl, das das Potenzial hat, die Altenpflege auch nach der überstandenen Pandemie zu tragen. Schön wäre es, wenn die Gesellschaft dann auch noch weiß, was sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken hat.“