Immer reicher – immer ärmer? Die AWO will mit Klartext wieder präsenter in der Gesellschaft werden
Michael Groß, Präsident des AWO-Bundesverbandes, war zu Besuch in Essen
Michael Groß, der neue Vorsitzende des Bundespräsidiums der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Deutschland, besuchte auf Einladung der AWO Essen-Spitze den Kreisverband in der Ruhrmetropole. Groß führt gemeinsam mit Katrin Sonnenholzner das Präsidium des Bundesverbandes. Der Essener AWO-Geschäftsführer Oliver Kern und sein Team informierten den prominenten Gast während seines „Antrittsbesuch“ über die große Spannbreite der Angebote des Essener Kreisverbandes, mit über 6.500 Mitgliedern und 1.500 Beschäftigten größter AWO-Kreisverband Deutschlands.
Im neuen Hauptsitz der AWO Essen, Cranachhöfe in Holsterhausen, übernahm der stellv. AWO Essen-Vorsitzende Klaus Persch die sehr persönliche und kollegiale Begrüßungsansprache. Auch die SPD-Bundestagswahlkandidaten Dirk Heidenblut und Gereon Wolters waren zum fachlichen Austausch eingeladen. Michael Groß dankte für die Einladung und erläuterte, dass es für ihn wichtig sei, was in der Arbeiterwohlfahrt vor Ort geleistet werde. Die Essener AWO sei dabei ein Garant dafür, dass der Verband sich für Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlicher Kulturen engagiere.
Oliver Kern erläuterte wie die AWO in Essen u.a. mit ihrem Thesenpapier „Wir machen Druck“ in die politische Diskussion regelmäßig eingreift: „Altersarmut bekämpfen; bessere Pflegeschlüssel; deutliche Erhöhung des Mindestlohns; Kindern eine Zukunft ohne Armut ermöglichen; die Betreuungssituation in Kindertagesstätten optimieren und den Sozialen Wohnungsbau stärken – hier legt die AWO Essen auch in der öffentlichen Diskussion immer wieder den Finger in die Wunde. Essen ist leider ein Paradebeispiel dafür, wie bisherige Bundes- und Landespolitik eine Stadt in die soziale Enge manövrieren konnten. Die Kommune musste über Jahrzehnte Vorgaben aus der Bundespolitik erfüllen, bekam dafür aber keine oder zu wenige Mittel aus dem Bundeshaushalt.“
Klaus Johannknecht erklärte: „Als größter AWO-Kreisverband Deutschlands sammeln die 6.500 Mitglieder täglich Erfahrungen mit den Auswirkungen sozialer Ungerechtigkeit. In unserem immer als reich beschriebenen Land scheint man es offensichtlich als naturgegeben hinzunehmen, dass Generationen von Menschen in Armut oder an der Schwelle zur Armut leben. Die Einnahmen der Steuer- und Sozialkassen steigen, die Wirtschaftsunternehmen prosperieren, der DAX erklimmt schwindelnde Höhen – und die Gesellschaft tut nichts Entscheidendes für die Menschen, denen der finanzielle Absturz droht. Winzige Rentenerhöhungen, niedrige Pflegesätze - die ältere Generation kommt bei den steigenden Lebenshaltungskosten gar nicht mehr mit. Bei der Pflege zu Hause oder im Heim steht der Streit mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen im Vordergrund. Wieviel dürfen Senioren, die ihr Leben lang in die Renten- und Versorgungskassen eingezahlt haben, kosten?“
Michael Groß kennt diese Alltagssorgen, machte aber auch Mut: „Mit dem Gesamtdeutschen Fördersystem setzt der Bund endlich den Grundsatz `Bedürftigkeit statt Himmelsrichtung´ um und wird strukturschwache Regionen in ganz Deutschland langfristig und verlässlich unterstützen. Für uns im Ruhrgebiet besonders wichtig: Im Rahmen des Konjunkturprogrammes 2020 hat der Bund die Fördergelder um 500 Millionen erhöht und diese wichtige Unterstützung möchte die SPD beibehalten.“
Oliver Kern gab das Ziel aus: „Nach der Bundestagswahl sollte sich die AWO mit konkreten politischen Erwartungen an die kommende Bundesregierung wenden und sie auffordern, das Soziale in den Fokus zu rücken. Fordern, mahnen, aber auch organisieren und moderieren - das ist eigentlich unsere alte und neue Rolle als AWO. Es muss sich dringend etwas ändern im Verhältnis zwischen super-reichen und bitter-armen Menschen, sonst gerät unser demokratisches Staatswesen in Gefahr. Wir brauchen einen Aufbruch zur Verhinderung von Armut - jetzt, nicht irgendwann. Und die AWO muss mit diesem Klartext die Öffentlichkeit wachrütteln. Das AWO-Bundespräsidium muss mehr Gesicht und Flagge als bisher zeigen und sich in die großen Diskussionsrunden – z.B. auch in Talkshows – einmischen und unsere Themen setzen.“
Nach dem intensiven Gespräch in Holsterhausen ging es für Michael Groß dann weiter zum neuen Jugendzentrum nach Schonnebeck. Besichtigung, Gespräche mit Vorstand, Geschäftsführung und Mitarbeitern des AWO-Jugendwerks standen auf dem Programm und auch ein kleines Kicker-Duell mit dem Bundestagskollegen Dirk Heidenblut.