Glanz der Pflegeprämie verblasst in der Praxis

„Auf den ersten Blick macht die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angekündigte Prämie für Pflegekräfte im Zeichen der akuten Mehrbelastung durch die Corona-Pandemie einen positiven Eindruck.“ Doch schon die Tatsache, dass statt der angekündigten 1500 Euro nur noch 1000 Euro übrig geblieben sind, lässt beim AWO Kreisvorsitzenden Klaus Johannknecht und bei AWO Geschäftsführer Oliver Kern Zweifel aufkommen. „Abendliches Beifallklatschen in Hinterhöfen und eine einzelne Prämie, von der letztendlich nicht klar ist, wer sie tatsächlich bezahlen wird, werden der Leistung, die Pflegekräfte auch ohne Corona-Mehrbelastung täglich abliefern, nicht gerecht.“

Jetzt werde endlich einmal allen vor Augen geführt, welchen Dienst die Altenpflegeteams für die Gesellschaft leisten, sind sich Kern und Johannknecht einig. „Wir alle müssen bereit sein, diesen Männern und Frauen, die mit Herz und Hand sich für ältere Menschen einsetzen, einen leistungsgerechten Lohn zu zahlen: „Pflegekräfte gehören nicht in das untere Drittel der Gehaltsskala. Arbeit am Menschen muss höher bewertet werden als Arbeit an Maschinen!“ Darüber hinaus seien bei der Einmal-Prämie viele Menschen einfach vergessen worden: „Die Pflege funktioniert nur dann, wenn sich auch die Service-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in den Heimen richtig engagieren. Ohne Küche, Wäscherei, Haustechnik, Reinigung und andere Arbeitsfelder kann auch die Pflege nicht funktionieren. Die dort hart arbeitenden Menschen dürfen nicht leer ausgehen.“

Auch die mit großer Geste angekündigte Prämie verliere immer mehr ihren Glanz, betonen Klaus Johannknecht und Oliver Kern. Seit Mitte vergangener Woche steht nun fest, dass Beschäftigte in der Altenpflege in diesem Jahr einen gestaffelten Anspruch auf eine einmalige Sonderleistung haben. Auf 1000 Euro garantiert, denn dieser Betrag wird den Arbeitgebern, so der Beschluss des Bundesgesundheitsministeriums, im Wege der Vorauszahlung zunächst von der sozialen Pflegeversicherung erstattet. Die Versicherten müssten so für die Belohnung aufkommen, von der Verantwortung der Gesamtgesellschaft sei nicht mehr die Rede. Und dann werde von Berliner Seite noch angestoßen, dass die Arbeitgeber die Prämie ja aufstocken könnten. „Als gemeinnützige Träger dürfen wir keine Rücklagen bilden und sollen uns jetzt an der Prämie beteiligen – da passt etwas nicht. Bei der finanziellen Lage der Wohlfahrtsverbände kann wohl keiner eine solche Prämie aus dem Ärmel schütteln“, betonen Kern und Johannknecht. „Auch die grundsätzlich von uns begrüßten höheren Löhne in diesem Bereich können nur gezahlt werden, wenn die Gesellschaft bereit ist, das auch gemeinsam zu finanzieren. Jetzt zeigt sich, welchen Stellenwert die soziale Gerechtigkeit bei uns noch hat.“

Autor*in Peter Marnitz
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