Sabine M. Dörner-Berude verabschiedet sich von der Essener AWO

Langjährige Streiterin für die Belange von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie Zugewanderten hat Arbeit des Kreisverbandes stark geprägt

Sabine M. Dörner-Berude hat viele Jahrzehnte für die Essener AWO in der Familienbildungsstätte gearbeitet. Foto: Grenz/AWO Essen
"Robin Hood, Anwältin der Rechte für Kinder und Jugendliche": So hat Sabine M. Dörner-Berude ihre Berufslaufbahn bei der Essener AWO Anfang der 1980er-Jahre begonnen. Foto: AWO Essen

Wenn sich Sabine M. Dörner-Berude schon bald in den Ruhestand verabschieden wird, dann hat sie fast 44 Jahre lang für den Kreisverband der AWO Essen gearbeitet. Die Lebenssituationen von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie Zugewanderten zu verbessern, das zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Berufs-Biografie. 

Ein wenig schmunzeln muss die Frau, die bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn für Integrationskurse, stadtteilbezogene Bildung sowie Angebote für Eltern und Kinder bei der Familienbildung der AWO Essen zuständig ist, schon beim Anblick eines alten Schnappschusses aus den Anfangszeiten ihrer AWO-Zeit: In Wildleder-Stiefeln lächelt da eine junge Frau in Cape, Schiffchenhut mit angesteckter Feder und Wildlederstiefeln dem Betrachter entgegen. Im Arm hält sie eine ähnlich kostümierte Person, eine damalige Kollegin, die Schwarz-Weiß-Aufnahme verbirgt die recht kräftige Farbkombination aus Rot, Braun und Grün. Robin Hood, Anwältin für Kinder und Jugendliche, ist hier zu sehen, zusammen mit Helferin Little John. Andere Zeiten, andere Sitten.

„Ja klar, das mit dem ,Robin Hood‘ hatte ich mir selbst überlegt. In dem Kostüm bin ich in Schulen gegangen oder auf Spielplätze, habe mit dem damaligen AWO-Geschäftsführer Horst Radtke auch Aktionen zum Beispiel in Straßenbahnen gemacht. Es ging darum Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und das haben wir auch geschafft“, erinnert sie sich. Als staatlich anerkannte Erzieherin war sie im September 1979 zur AWO gekommen und sollte für die kommenden rund zwei Jahre die Kinder- und Jugendanwältin des Kreisverbandes sein.

Ihr Büro bezog sie im DGB-Haus an der Schützenbahn in der Innenstadt und hier empfing sie häufig ihre Gäste im Alter zwischen zehn und 15 Jahren. Im Robin-Hood-Kostüm besuchte sie die Familien auch zu Hause, oftmals gelegen in sozialen Brennpunkten. „Ich war Ansprechpartnerin für die Mädchen und Jungen um ihre Sorgen um Freunde, Eltern oder die Schule anzuhören, und in einer Mittlerrolle wenn möglich auch Konflikte zu klären“, schildert sie diese spannende Zeit.

Die Erfahrungen sollten ihr in ihrem folgenden Berufsleben von Nutzen sein, denn nach Ende 1981 übernahm sie einen Job als hauptamtliche pädagogische Mitarbeiterin bei der Familienbildungsstätte der AWO. Welche Bedürfnisse gibt es „da draußen“, und wie kann die Familienbildungsstätte unterstützen, begleiten, anregen? Dies sollte sie in den folgenden Jahrzehnten umtreiben bei der Planung von Seminaren im Bereich Eltern-Kind- und auch Frauen-Themen. Mit den Ortsvereinen in den zahlreichen Stadtteilen hat sie zudem Kurse und Seminare entwickelt, die diese dann selbst durchgeführt haben. Zwischendurch bekam sie noch die Verwaltung des ersten Bildungshauses der Essener AWO, dem Forsthaus Velen, übertragen. Als 1990 der Bildungshof Darup, rund eine Autostunde von Essen entfernt, an dessen Stelle trat, sollte dies bis zum Ende ihrer Berufslaufbahn eine Aufgabe für sie bleiben. Die Sanierung des Hofes begleitete Sabine M. Dörner-Berude mit vollem Einsatz, bis zum Ende ihres Berufslebens fuhr sie alle vier bis sechs Wochen in das Dorf der Gemeinde Nottuln im Kreis Coesfeld, kümmerte sich um alles, vom WC-Papier über die Akquise von Handwerkern bis zur Buchung.

Im Laufe der 1990er-Jahre hat sich dann ihr Arbeitsprofil bei der Familienbildung enorm erweitert, Integration wurde zunehmend Thema in der breiten Öffentlichkeit und die AWO Essen war mit zahlreichen Angeboten zum Spracherwerb, „Deutsch als Fremdsprache“ genannt, mittendrin. „Hieraus sollten sich dann später die Integrationskurse entwickeln, wie es sie noch heute gibt. Schon früh durften meine Kollegen und ich an der Entwicklung an diesem neuen Kursformat des BAMF teilhaben, das war eine sehr spannende Zeit“, berichtet sie.

Ebenso erhielt sie die Chance, von 2010 bis 2016 als Vertreterin der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienbildungsstätten NRW zusammen mit dem NRW-Familienministerium ein genau auf die besonderen Bedürfnisse von frisch gebackenen Eltern abgestimmtes Angebot zu erarbeiten. Unter dem Titel „Elternstart NRW“ für Frauen und Männer mit Kindern unter einem Jahr ist dies bis heute landesweit ein großer Erfolg.

Was sie besonders schätzt an ihrem Werdegang ist die Chance, aber auch die Pflicht, sich selbst und die eigene Arbeit ständig weiterzuentwickeln. Fortbildungen zur weiteren Qualifikation waren da unter anderem selbstverständlich. „Die Interessen der Menschen ändern sich ja, das merkt man sehr stark in der Familienbildung. Man muss da genau zuhören, was wirklich von Nutzen ist“, beschreibt Sabine M. Dörner-Berude. Doch auch auf dem Feld der Integrationskurse wurde es für sie nie langweilig, schließlich ist auch hier im wahrsten Sinne des Wortes die Welt ständig in Bewegung.

Die Veränderungen der Rollenverteilungen von Mann und Frau hält sie für eine der größten Entwicklungen in ihren über 40 Berufsjahren. „Das finde ich toll, da habe ich ja auch schon als junge Frau für gekämpft“, kommentiert sie. Die Überfrachtung von Kindern durch immer mehr Verpflichtungen durch Schule oder organisierte Freizeitangebote, die die Eltern forcieren, hält sie für kritisch. Sabine M. Dörner-Berude: „Niemand fragt danach, was es mit den Kindern macht, wenn sie permanent beschäftigt werden.“

Sehr dankbar ist sie, dass ihr von Seiten ihres Arbeitgebers immer die Gelegenheit gegeben worden war, Job und Familienleben mit drei Kindern in Einklang zu bringen. „Ich habe ja nicht nur mit den Thematiken, die die Familienbildung mit sich bringt, gearbeitet. Ich habe auch darin gelebt – ich durfte am eigenen Leib erleben, wie es ist, wenn es gut läuft“, freut sich Sabine M. Dörner-Berude.

Ein ungutes Gefühl in Richtung ihrer nächsten Lebensphase hat sie überhaupt nicht. „Ich werde jeden Morgen mindestens bis acht Uhr schlafen und dann zwei Stunden Zeitung lesen. Ich habe mich als Schöffin beworben und spiele mit dem Gedanken, mich an der Universität als Gasthörerin einzuschreiben. Ich werde sicher keine Langeweile haben – vielleicht besuche ich ja mit einem meiner Enkelkinder einen Oma-Enkel-Kurs der Familienbildung.“

Autor*in Markus Grenz
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