„Die geschlossenen Türen sind für viele langsam dramatisch“

AWO Geschäftsführer Oliver Kern und Bürgerhaus-Leiter Jürgen Zips-Zimmermann sprechen über die sozialen Folgen des Corona-Lockdowns am Isinger Feld in Kray/Leithe

Wenig erfreut sind AWO-Geschäftsführer Oliver Kern (links) und Hausleiter Jürgen Zips-Zimmermann von der Tatsache, dass sie das Julius-Leber-Haus schließen müssen. Beide hoffen, dass das Leben an der Meistersingerstraße noch vor den Sommerferien wenigstens zum Teil wieder starten kann. Foto: AWO Essen
Das Beste aus der Zwangspause machen: Die Außenterrasse des Julius-Leber-Hauses wird erneuert – unter anderem. Foto: AWO Essen

In der öffentlichen Diskussion, da tauchen sie kaum auf, die sozial getragenen Bürgerhäuser, die mit ihrem Programm Anlaufstelle, Info- und Kontaktzentren für zahlreiche Menschen in jedem Alter sind. Für die ist der Lockdown jedoch zum Teil schon regelrecht tragisch, wie das Beispiel des Julius-Leber-Hauses der AWO an der Meistersingerstraße direkt am mitunter sozial problematischen Isinger Feld zeigt. AWO-Geschäftsführer Oliver Kern berichtet: „Die Bürgerhäuser sind häufig einer der Dreh- und Angelpunkte des sozialen Lebens in den Stadtteilen. Die geschlossenen Türen sind für viele langsam dramatisch.“

Fragt man den Leiter des Julius-Leber-Hauses Jürgen Zips-Zimmermann, was für „seine“ Einrichtung der Shut-down bedeutet, muss er nicht lange überlegen: „Keine Kurse, keine Senioren-Treffs, keine Müttercafés, keine Aktionen für unsere Kinder und Jugendlichen, keine interkulturellen Angebote und so weiter“, könnte er diese Liste noch beliebig verlängern. Hunderte von Menschen von Null Jahren bis ins Seniorenalter kommen in jedem Monat normalerweise vorbei. Doch aus einem Bienenstock ist ein verrammeltes Haus geworden. „Wir haben jetzt einfach mal so geplant, dass wir wenigstens die Kurse noch vor den Sommerferien wieder ans Laufen bringen. Ich fürchte aber, dass wir so richtig erst wieder nach den Sommerferien durchstarten können – wenn überhaupt.“

Wieso gerade die Lage in den Bürgerhäusern so schwierig ist, die AWO in Essen betreibt neben dem „Julius“ noch das Hans-Gippmann-Haus in Dellwig/Gerschede, erläutert Oliver Kern: „Die Klientel ist einfach so vielfältig, dass man sie nur schwer ohne räumliches Angebot wieder zusammenbekommt. In den Einrichtungen, die sich gezielt auf eine Gruppe spezialisieren, ist das einfacher“, so Kern. Aus verschiedensten Anrufen, die ihn täglich in seinem Büro erreichen – auch die nun geschlossenen ehrenamtlich von den Ortsvereinen geführten AWO-Clubs für Senioren werden schmerzlich vermisst – weiß er: „Für viele Menschen bedeutet das Isolation oder den Verlust einer wichtigen Anlaufstelle zum Erfahrungsaustausch. Viele drehen langsam am Rad.“

Natürlich versucht man auch im Julius-Leber-Haus die Klientel zu erreichen. Für die kostenfreie Sozialberatung des Vereins Sozialberatung Essen e.V. bietet die Partner-Anwaltskanzlei nun täglich Telefon-Sprechstunden an, die Babysprechstunde wird online abgehalten. Doch das ist nur ein kleiner Teil des Spektrums, oft gibt es keine Online-Alternative oder der Teufel steckt im Detail. Jürgen Zips-Zimmermann gibt ein Beispiel: „Wenn wir jetzt für unsere Kinder und Jugendlichen ein Online-Fußballspiel auf der Spielekonsole anbieten, dann können die Mädchen und Jungen das nicht wahrnehmen, weil sie zu Hause gar keine Konsole haben“, schildert er. Vermehrt machte sich das Sozialarbeiter-Team bereits im Stadtteil auf die Socken, um die jungen Besucher überhaupt aufzuspüren.

Im Julius-Leber-Haus versucht man natürlich, das Beste aus der Situation herauszuholen. So wurden Sanierungs- und Reparaturarbeiten im hauseigenen Café und den anderen Räumlichkeiten vorgezogen. Der Spielplatz auf dem Außengelände wurde saniert und die Terrasse bekommt einen neuen Boden. So positiv dies ist, hofft Jürgen Zips-Zimmermann doch eigentlich nur auf das Eine: „Hoffentlich können wir uns bald wieder vernünftig um unsere Leute kümmern.“

Autor*in Markus Grenz
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