„Kurve kriegen“ erweist sich in Essen als Erfolgsmodell: Landesförderung weiter gesichert

Mario ist inzwischen 11 Jahre alt und hat schon einiges hinter sich. Mit neun Jahren war er auf dem besten Weg zum Intensivtäter. Mit Körperverletzungen, Diebstählen, ersten Kontakten mit Drogen und Alkohol füllte er schon Akten bei der Polizei. Das ist vorbei, Mario hat die Kurve gekriegt – dank der Landes-Initiative „Kurve kriegen“. Seit 2016 arbeiten in Essen Polizei und AWO eng zusammen, um Kinder, die schon vor Erreichen der Strafmündigkeit eine kriminelle Karriere gestartet haben, auf den richtigen Weg zu bringen. Die Zusammenarbeit zwischen der Polizei Essen und der Awo entwickelte sich zum Erfolgsmodell. Dass bisher gut 50 Prozent aller betreuten Kinder die Kurve kriegten, überzeugte das NRW-Innenministerium: Auch für die nächsten sechs Jahre ist die Arbeit der vierköpfigen Gruppe, die ihre Büros im „Haus des Jugendrechts“ an der Alfredstraße hat, gesichert.

Das Essener Team „Kurve kriegen“ (v.l.) Stefan Hoeps und Birgit Marschall-Littwin (beide AWO) , Hauptkommissar Mark-Steffen Daun und Oberkommissar Christian Reinartz

Zwei auf die Jugend-Kriminalprävention spezialisierte Polizeibeamte der Ermittlungsgruppe Jugend und die beiden Sozialarbeiter der AWO Essen, Birgit Marschall-Littwin und Stefan Hoeps, arbeiten buchstäblich Hand in Hand, um kriminelle Karrieren zu beenden, bevor sie richtig begonnen haben. Hauptkommissar Mark-Steffen Daun und Oberkommissar Christian Reinartz haben die junge Szene im Blick. Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche, überwiegend im Alterssegment von 8 bis 15 Jahren, die mit mindestens einer Gewalttat und/oder drei Eigentumsdelikten polizeilich in Erscheinung getreten sind und deren Lebensumstände derart risikobelastet sind, dass ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität droht. Im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums in Essen und Mülheim erfüllen rund 650 Kinder und Jugendliche diese Bedingungen. 

Nach dem Screening-Prozess werden von der Polizei und dann erneut durch die pädagogischen Fachkräfte der AWO Einwilligungserklärungen eingeholt, um den umfangreichen Hilfeprozess dann zu starten. Rund 25 bis 30 „Fälle“ kann das eingespielte Team gleichzeitig bearbeiten. „Jeder Fall wird individuell behandelt, alles wird auf die jeweiligen Verhältnisse abgestimmt“, betont Stefan Hoeps. Am Anfang steht die genaue Analyse. In welchen Umständen lebt das Kind, wie ist sein Umfeld, wie ist die schulische Situation, wo verbringt es seine Freizeit? Fragen, deren Antworten über den weiteren Weg entscheiden.

„Es gibt einen ganzen Baukasten von Maßnahmen, mit denen wir arbeiten können. Dabei werden in einem ersten Schritt natürlich die Eltern mit einbezogen“, erläutert Hoeps. Vom Anti-Aggressionstraining bis zu erlebnispädagogischen Maßnahmen reichen die Mittel, mit denen man das jeweilige Kind so beeinflussen will, dass es selbstsicher wird und seinen Weg findet. Dabei setzt das Team auf pädagogische Angebote verschiedener Träger und nutzt auch die Möglichkeiten der AWO.

Sogar ein Schäfer mit seinen Tieren kam schon für „Kurve kriegen“ zum Einsatz – übrigens mit Erfolg. Während der ganzen Zeit wird natürlich auch registriert, ob der Junge oder das Mädchen im polizeilichen Sinne auffällig wird. „Wir erwarten keine Wunder. Niemand fällt sofort aus dem Programm, wenn er kriminell auffällig wird. Es gibt dann intensive Gespräche, wir geben kein Kind so schnell auf“, erklärt Mark Steffen Daun die Haltung des Teams. Mit im Boot sind natürlich die zuständigen Jugendbehörden der Stadt.

Von dieser Zusammenarbeit profitierte schließlich auch der neunjährige Mario. Seine Lebensumstände bei einer mit mehreren Kindern überlasteten alleinerziehenden Mutter waren so desolat, dass er aus der familiären Situation herausgenommen werden musste. Das war der Anfang seines Weges, der ihn schließlich die Kurve kriegen ließ. Seit mehr als einem Jahr ist er nicht mehr auffällig geworden.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Intensivtäter bis zu seinem 25. Lebensjahr im Durschnitt 1,7 Millionen Euro soziale Folgekosten verursacht, ist das ein großer Erfolg.

Autor*in Peter Marnitz
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