45 Jahre AWO Seniorenclub Holsterhausen

Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus als gäbe es eine Verbindung zwischen Universität, Wochenmarkt, Konzertsaal, Fernsehstudio, Haftanstalt und Pflegeheim. Doch in Holsterhausen werden all diese verschiedenen Orte unter einen Hut gebracht. Es ist der AWO Seniorenclub, der Jung und Alt, Bildung und Vergnügen, Protest und Kaffeetafel, soziales Engagement und fröhliche Feste miteinander verbindet – und das seit 45 Jahren. Mit einer Feier im voll besetzten Saal des Otto-Hue-Hauses der AWO wurde jetzt daran erinnert, wie Erika Gatzke „ihren“ Senioren-Gesprächskreis, den sie heute noch leitet, 1974 aus der Taufe hob.

„Wenn Sie Kontakt und Geselligkeit mit anderen älteren Menschen suchen, Lust an Kaffeeklatsch, Diskussionen, Vorträgen, Ausflügen usw. haben, dann besuchen Sie unseren neuen Seniorenclub in Holsterhausen.“ So lud der damalige AWO Geschäftsführer Horst Radtke zur  Gründungsversammlung des Clubs am 10. September 1974 in das Otto-Hue-Heim ein.

Gut 100 Senioren folgten damals  der Einladung und genossen den von der neuen Club-Leiterin und –Gründerin Erika Gatzke organisierten Nachmittag. NRZ und WAZ berichteten, dass die agile Organisatorin schon gleich den Vorschlag machte, einen Beirat zu gründen, der für die Programmgestaltung des Clubs zuständig ist.

Das Programm konnte sich von Anfang an sehen lassen. Es sorgte für Aktivitäten, die bei den Senioren keine Lust aufkommen ließen sich alt zu fühlen. Wenn der Begriff „junge Alte“ mit Leben gefüllt wurde und wird, dann hier im Seniorenclub Holsterhausen. Bestes Beispiel ist Erika Gatzke, die nicht nur den Seniorenclub bis heute leitet, sie hob auch 1975 den AWO Ortsverein aus der Taufe, den sie bis 2016 leitete.

Die Programme, Aktionen und Veranstaltungen der letzten 45 Jahre füllen inzwischen Bände. Dass noch heute sich regelmäßig um die 100 Senioren bei der AWO in Holsterhausen treffen, hat nicht zuletzt mit der Vielfalt des Programms und der Phantasie der resoluten Clubleiterin zu tun. Ein Schnelldurchlauf der Aktivitäten der letzten viereinhalb Jahrzehnte belegt das.

Der Seniorenclub stellt bei der Kreiskonferenz 1975 den Antrag, dass sich der AWO Kreisverband für die Schaffung eines Essener Seniorenbeirates einsetzen soll – Mit Erfolg!

Eine gemeinsame Busfahrt  nach Paris ist 1976 der Startpunkt zu einem Reiseprogramm, das die Senioren in die nähere Umgebung und in viele europäische Hauptstädte führt. Auch das damalige Jugoslawien ist mehrmals ein Reiseziel. Für die Völkerverständigung zwischen Deutschland und Jugoslawien, die durch die Reisen geprägt wurde, erhielt Erika Gatzke sogar einen Auszeichnung des damals noch von Tito regierten Landes.

Seit 1984 sind Holsterhauser Senioren regelmäßig Gasthörer bei unterschiedlichen Veranstaltungsreihen der Uni Essen und engagieren sich unter anderem in einem Universitätsübergreifenden Gesprächskreis der NRW-Hochschulen.

Ebenfalls 1984 startete die Partnerschaft mit Theater und Philharmonie Essen. Regelmäßig finden hochkarätige Konzerte beim Seniorengesprächskreis statt.

Dass die AWO eine politische Organisation ist und sich selbstverständlich auch zu Wort meldet, hat auch in Holsterhausen schon eine Tradition. Ratsmitglieder, Bezirksvertreter und Bundespolitiker standen  und stehen den kritischen Senioren immer wieder Rede und Antwort. Auch Kandidaten für das Berliner Parlament mussten schon gut gerüstet sein, um in Holsterhausen bestehen zu können.

Auch Probleme vor der Haustür gingen die Senioren aktiv an. Sie regten die Einrichtung eines Wochenmarktes an, mischten sich bei der Sperrung der Gemarkenstraße ein und engagierten sich bei der Stadtteilkonferenz für Holsterhausen.

Dazwischen fanden die aktiven Senioren zusammen mit Erika Gatzke noch Zeit, Fremdsprachen zu büffeln und die vielfältigen Angebote der AWO Familienbildung zu nutzen.

Dass Bildung auch einer Karriere in  der Modebranche nicht im Wege stehen muss, bewiesen zwei männliche und fünf weibliche Models vom Seniorenclub auf dem Laufsteg bei Modenschauen in der Innenstadt und in Holsterhausen.

Der breiten Öffentlichkeit präsentierte sich der Seniorenclub 1981, als er zusammen mit dem Schauspieler Ernst Fürbringer seinen großen Auftritt bei der Sendung „Mosaik“ im ZDF hatte.

Dass Solidarität eine Kerneigenschaft  der AWO ist, wird auch hier bei den Senioren gelebt. So engagierte man sich beim „Bunten Herbst in Holsterhausen“. Der Erlös der Aktionen wurde für Ferienaktionen  mit benachteiligten Kindern beim Jugendwerk der AWO gespendet. Auch Strafgefangene ohne familiäre Bindung profitierten vom Einsatz des Seniorengesprächskreises. In der Weihnachtzeit wurden für sie Pakete gepackt. Glänzende Kinderaugen gab es auch bei der Bescherung für Kinder aus Flüchtlingsunterkünften, die zu einer gemeinsamen vorweihnachtlichen Feier ins Otto-Hue-Haus eingeladen wurden.

All das ist nur ein Ausschnitt der vielfältigen Aktivitäten. Erika Gatzke, die jung gebliebene aktive Leiterin des Seniorenkreises, erhielt für ihr Engagement zwei seltene Auszeichnungen:

Im März 1996 ehrte die Bundesrepublik ihren Einsatz mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande. Dazu kam im selben Jahr die Verdienstmedaille der AWO, verliehen vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt.

Mit musikalischen Beiträgen, Blumengrüßen und Geschenken, ehrten nicht nur die regelmäßigen Besucher des Seniorengesprächskreises, wie der Seniorenclub sich seit einigen Jahren selbst bezeichnet, die agile Ehrenamtlerin. Auch Gäste aus Politik und Stadtgesellschaft machten bei Erika Gatzke ihre Aufwartung.

AWO Geschäftsführer Oliver Kern stellte die Lebensleistung mit 45 Jahren ehrenamtliche Einsatzes in den Vordergrund: „Bei diesen Aktivitäten hatte Erika Gatzke gar keine Zeit, älter zu werden und beweist, dass Alter nur eine Zahl ist, wenn man im Kopf und im Gefühl jung bleibt!“

In seiner Dankesrede für die Leistung der aktiven Clubleiterin betonte der AWO Kreisvorsitzende Klaus Johannknecht: „Es gibt viele Wege die AWO-Grundwerte  Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit mit Leben zu füllen. Hier in Holsterhausen wird das Tag für Tag unter Beweis gestellt.“

Autor*in Peter Marnitz
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